Luttz SaarmannEs ist Anfang Mai ... ich sitze mit einer Tasse Drachenblütentee in einem Sessel und schaue auf die benachbarte Streuobstwiese. Es regnet seit 2 Tagen.
Nicht heftig aber fast ununterbrochen. Ich spüre wie der
Garten und die Wiese nebenan aufatmen. Endlich
Wasser.
Auf der Lehne eines Gartenstuhls sammeln sich Regentropfen und glitzern leicht. Auf der Oberfläche des Gartenteiches sehe ich, wie sich Kreise bilden und wieder verschwinden. Immer wieder. Unzählige. Ununterbrochen.
Zwischendurch lese ich einige Zeilen aus einem Buch von Frank Berzbach: Die Form der Schönheit.
Aus dem Buch:
" Es gibt Übungswege, Philosophien und Lebensmaximen, die sich dem Umgang mit der Schönheit quasi verschreiben. Sucht man akribisch genug, findet man sie wahrscheinlich in jeder Kultur und in jeder Epoche. Sie können sehr alt sein und eine Tradition bilden oder als Neuerung erscheinen, einen anderen Namen bekommen und Teil gesellschaftlicher oder künstlerischer Innovation sein.
Wenn die Schönheit ein zentrales Element der Lebenskunst wird, dann sprengt das die binären Unterscheidungen von
traditionell - innovativ,
schön - hässlich,
konservativ - fortschrittlich
altmodisch - postmodern."
Eine Möglichkeit einen Übungsweg zu gehen ist das Üben
von Qigong. Ursprünglich habe ich die Formen aus dem
System Qigong Yangsheng nach Prof. Jiao geübt. Der
praktische Unterricht im Qigong mischt sich bei mir in
den letzten Jahren mit philosophischen Texten, Gedichten und mit Meditation.
Für die Texte oder Gedichte bemühe ich Hafis, Rumi, Goethe,
Laotse, Zhuang Zi und andere.
Es geht in den Übungen weniger darum, sich besonders sportlich zu bewegen, sondern zu spüren : wo bin ich ?
Dazu schreibt Laotse ( 33 ) :
"Wer andere kennt ist klug.
Wer sich selber kennt ist weise.
Wer andere besiegt hat Kraft.
Wer sich selber besiegt ist stark.
Wer sich durchsetzt hat Willen.
Wer sich genügen lässt ist reich."
"Der Mensch ist fähig wahrzunehmen.
Und in Bezug auf die Schönheit kann man getrost sein Ego zurücknehmen und sich fragen: Entdeckt man sie überhaupt ? Wie steht es mit der eigenen Wahrnehmung ? Fühle ich mich generell als jemand, der Recht behalten will oder mache ich mich auf die Suche nach der Wahrheit und damit auch auf die Suche nach der Schönheit ? " ( Die Form der Schönheit, Frank
Berzbach, Über die Quelle der Lebenskunst, Eichborn 2018 )